Weiber

Rolle der Frauen im Karneval
Ganz ohne Weiber geht die Schose nicht. Das wussten auch die Männer schon, die 1823 den Karneval neu ordneten. Es musste aber nicht gleich ein Mitspracherecht der Frauen in Männerangelegenheiten sein; und eine reine Männerangelegenheit war der organisierte Karneval nun mal. Die Organisation und Durchführung des Karnevals lag, wie es dem Geist der damaligen Zeit entsprach, ganz in den Händen der Männer. Die Frauen hatten Haus und Kinder zu hüten. Auch argumentierte man damit, dass die Witze und Liedertexte für die Frauen zu derb seien. Dadurch ergab sich zwangsläufig, dass alle Frauenrollen im Karneval von Männern übernommen wurden. Einzige Ausnahme bildeten die Hellige Knäächte un Mägde, die seit 1823 am Maskenzug teilnahmen. Sie waren jedoch damals noch keine Karnevalsgruppe.

Den Frauen war die Weiberfastnacht vorbehalten, die allerdings überwiegend auf den Märkten gefeiert wurde und nicht von den Frauen, die den gehobenen Kreisen angehörten.

Schon im vorigen Jahrhundert veranstalteten die Karnevalsgesellschaften Damenkränzchen. Das waren keine Vorläufer der Mädchensitzungen. Hier führte man die heiratsfähigen Töchter aus, und die Karnevalsgesellschaft sorgte dafür, dass genügend Offiziere eingeladen wurden, damit die Damen anschließend Tanzpartner hatten. Die Sitzungsprogramme bei den Damenkränzchen wurden in zwei Abteilungen aufgeteilt. Vor der Pause gab es eine karnevalistische Abteilung, und nach der Pause wurde ein Lustspiel aufgeführt.

1880 wurde die Kölner Narren-Zunft gegründet, die damals den neuen Zeitverhältnissen, namentlich der stärkeren Beteiligung der Frau am gesellschaftlichen Leben, dadurch Rechnung trug, dass fast alle Veranstaltungen der Zunft als Familien-Veranstaltungen aufgezogen wurden. Zu den regelmäßigen Veranstaltungen der Narren-Zunft gehörten auch Damen-Comités, die als Wohltätigkeitsveranstaltungen durchgeführt wurden. Die Kölner Narren-Zunft, die stolz darauf ist, eine Familiengesellschaft zu sein, nimmt auch heute noch, wie die meisten traditionsbewussten Karnevalsgesellschaften, keine Frauen als Mitglieder auf.

Erst 1938 fand eine für den Karneval revolutionäre Neuerung statt. Es gab eine weibliche Jungfrau. Das war ein Bruch mit alten Traditionen (siehe Kapitel Dreigestirn). Zu diesem Zeitpunkt wurden auch die Tanzmariechen, die bis dahin Männer waren, von Frauen dargestellt. Die weiblichen Mariechen hielt man auch nach dem Krieg bei. Die Mariechen sind heute in den meisten Fällen während ihrer aktiven Zeit Mitglied der jeweiligen Gesellschaft, jedoch überwiegend ohne Stimmrecht.

Den beiden Jungfrauen der Jahre 1938/39 war es nicht möglich Mitglied einer Karnevalsgesellschaft zu werden, und sie können auch heute noch nicht Mitglied der Traditionsgemeinschaft ehemalige Prinzen, Bauern und Jungfrauen werden, da dort keine Frauen aufgenommen werden.

Die Rolle der Jungfrau übernahm nach dem Krieg wieder ein Mann. Der Grund war nicht, dass die Rolle zu anstrengend für eine Frau ist, wie früher behauptet wurde. Viel wichtiger ist, dass es eine alte Tradition ist, dass Männer die Jungfrau darstellen und damit bricht man in Köln so schnell nicht. Eine Quotenregelung im Dreigestirn wird es wohl nie geben.

Trotzdem änderte sich nach dem Zweiten Weltkrieg viel im Karneval. Die Vorherrschaft der Männer begann zu bröckeln. Die Frauen, die jetzt verstärkt in die Arbeitswelt drängten, wurden selbständiger und unabhängiger. Durch das Gesetz kam die Gleichberechtigung auf wirtschaftlichem und privatem Sektor, wenn sie sich auch nur schleppend durchsetzte. Die Selbstachtung der Frau erhielt einen gewaltigen Auftrieb. Dieses neue Selbstwertgefühl der Frau wirkte sich im Karneval als erstes auf die Weiberfastnacht aus. Die Frauen ernannten diesen Tag zu ihrem Fest, erschienen im Kostüm am Arbeitsplatz und feierten auf ihre Art.

Ende der 50er Jahre entstanden die ersten karnevalistischen Hausfrauennachmittage, die die Kölnische Rundschau bei Kaffee und Kuchen durchführte. Daraus entwickelten sich nach und nach die Mädchensitzungen, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuten. Seit etwa 15 Jahren führen fast alle Karnevalsgesellschaften Mädchensitzungen durch. Im gleichen Maße, wie diese sich etablieren, gehen die Herrensitzungen zurück. Die traditionsbewussten Kölner Karnevalsgesellschaften, die auch heute noch keine Frauen als Mitglieder aufnehmen, stellen bei den Mädchensitzungen einen Herren-Elferrat. Die jüngeren Gesellschaften haben meist keine Probleme mit einem Damen-Elferrat, auch nicht mit einer Präsidentin bei Mädchensitzungen.

Frauen als auftretende Künstler im Karneval bürgerten sich erst nach 1949 ein. Die ersten Frauen, die im Karneval auf die Bühne gingen, kamen aus Kabarett und Varieté, es waren Grete Fluß, Kläre Schlichting, Trude Herr und Lotti Krekel, die vom Millowitsch Theater kam. Die erste Frau, die als reine Karnevalssängerin auftrat, war Carla Grassmann aus Köln-Mülheim. Die ersten Büttenrednerinnen waren Agnes Haas und Leni Hilden, als Spatz von Bickendorf. Mittlerweile haben sich Frauen auf der Bühne durchgesetzt. Stellvertretend für alle sei die Sängerin Marie-Luise Nikuta, Trägerin der Ostermann-Medaille, genannt, die seit 25 Jahren auftritt.

Auch in den Vorständen mancher Karnevalsgesellschaften finden wir heute Frauen, wenn auch mehr in den jüngeren Gesellschaften und in den Außenbezirken der Stadt. 1990 holte Gisbert Brovot zwei Frauen in den Vorstand des Festkomitees, die Dachorganisation des Kölner Karnevals, was mit Sicherheit so manchem altgedienten Karnevalisten die Sprache verschlagen hat.

Noch eine andere Männerdomäne haben die Frauen in den letzten Jahren erobert, den Rosenmontagszug. Inoffiziell gingen schon unter dem Zugleiter Peter Schumacher Frauen im Zug mit. Offiziell hat Bernd Assenmacher als Zugleiter 1979 erstmals Frauen mitgehen und mitreiten lassen. Unter ihm bekamen die Frauen auch Frauenkostüme. Vorher gingen sie in Männerkostümen mit, was sicher auch eine finanzielle Frage war.

Das Einfügen der Frauen in den Karneval hat sich kontinuierlich fortgesetzt. Schon immer haben die Frauen mitgefeiert, so wie es den jeweiligen Zeitumständen entsprach. Niemals haben Frauen für ein Recht im Karneval demonstriert. Hier einigt man sich freundschaftlich. Jeder arbeitet da, wo er gebraucht wird. So werden auch irgendwann die letzten Hürden im Karneval genommen werden, und die Frauen können Mitglied in jeder Karnevalsgesellschaft werden.


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